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Die Pforte zum Paradies

Der orthodoxe Weg - ein kurzer Überblick

 

Jesus Christus und die frühe Kirche

 

Ich bin die Tür, sagt Christus, wer durch Mich eintritt, wird gerettet werden (Jh 10,9). Christus ist die Pforte zum Reich des Himmels, die wir auch schon in diesem Leben in uns finden können und die fortbesteht in Ewigkeit. Doch wie finden wir diese Pforte zwischen den Tausenden von verschiedenen Sekten und Philosophien? Jede von ihnen präsentiert von Christus ein anderes, unterschiedliches Bild. Wenn wir in die Geschichte der Kirche, die Er gegründet hat, schauen, finden wir eine einzige ungebrochene Linie, in der Sein Bild rein und unverzerrt bewahrt wurde. Diese Linie ist die Orthodoxie der frühen Zeit, der Maßstab des wahren Christentums. Ko mmt zur Pforte! Findet sie auf dem uralten, historischen Pfad...

 

An einem bestimmten Punkt der Geschichte, an dem die Menschheit durch ihr Abfallen von Gott weit vom Paradies entfernt und durch ihre Gottesferne in Verzweiflung und Not war, nahm Gott, Der den Menschen geschaffen hatte, Fleisch an und wurde Mensch. Dies war Jesus Christus, Der Eine, Den die Propheten vorausgesagt hatten, Der Eine, Den die ganze Welt erwartete. Bis dahin waren alle Religionen nur bruchstückhafte Versuche, Gott zu verstehen. In Christus wurde Gott Selbst Mensch – zum ersten und einzigen Mal in der Geschichte. Eines der vielen Dinge, die Christus offenbarte, als Er in der Welt war, ist die Möglichkeit einer persönlichen Beziehung mit Gott für jene, die an Ihn glauben. Er führte jene Gläubigen zusammen und versprach ihnen, daß niemals irgend etwas Seine Kirche überwältigen würde (Mt 16,18). Diese Kirche wurde auf den Leiden Christi gegründet, dann auf den Leiden Seiner Apostel und schließlich auf den Leiden der Märtyrer im Lauf der Jahrhunderte. So begann das Christentum.

 

Nach Christi Kreuzigung, Auferstehung und nach Seiner Himmelfahrt, versammelten sich Seine Apostel zusammen mit Tausenden anderer Menschen aus fast der ganzen bekannten Welt zum Pfingstfest. Da kam – genau wie die Heilige Schrift vorausgesagt und Christus versprochen hatte – plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und die Apostel wurden erfüllt vom Heiligen Geist (Apg 2,2-4). Sie begannen all jenen, die auf dem Fest anwesend waren, in ihren jeweiligen Muttersprachen den Weg, die Wahrheit und das Leben zu verkünden. Jene, die diese Offenbarung empfingen und Jesus Christus folgten, begannen unter der Bezeichnung „Christen“ bekannt zu werden.

 

Von jenem Tag an wurde das Christentum mit Kraft ausgestattet, und es begann sich bis zu den Enden der Erde auszubreiten. Von Jerusalem aus reisten die Jünger Christi durch die ganze bekannte Welt: die Apostel Petrus und Paulus gingen nach Griechenland und Rom, Andreas nach Rußland, Markus nach Ägypten, Simon nach England und Afrika. Thomas ging nach Indien und Matthäus nach Äthiopien. Obwohl sie sich in verschiedenen Teilen der Welt befanden, waren sie ein Herz und eine Seele (Apg 4,32) und lehrten e i n e n Herrn, e i n e n Glauben, e i n e Taufe (Eph 4,5). Überall, wohin sie kamen, ernannten sie Bischöfe, Priester und Diakone und weihten sie durch Handauflegung dazu, Hirten der Herde Christi zu sein. In kurzer Zeit führten die Apostel eine große Zahl an Heiden zu Christus – einfache Menschen ebenso wie Philosophen, Bettler wie Könige. Obwohl die Apostel für ihren Glauben verfolgt wurden, gemartert und sogar getötet, konnte nichts verhindern, daß der Glaube sich wie ein Lauffeuer bis zu den Enden der Erde ausbreitete. Fast alle Apostel erlitten den Märtyrertod, und viele ihrer Reliquien sind in den orthodoxen Kirchen bis zum heutigen Tag erhalten geblieben.

 

Während jener schwierigen, vom Martyrium geprägten Zeit wurde die frühe Kirche geformt und gefestigt. Es fanden von Anfang an Gottesdienste statt, es entstanden die bildenden Künste und die Musik der Kirche. Sie entsprangen auf natürliche Weise aus dem Alten Bund und flossen ein in den Neuen. Die Form des Gottesdienstes wurde zur Zeit des Moses vorgebildet, wie sie ihm von Gott offenbart wurde. Die bildenden Künste hatten ihren Ursprung in den Mosaikabbildungen im Tempel, die Szenen aus dem Alten Bund darstellten, und in den vorchristlichen Künsten.

 

Diese Tradition der sakralen Kunst wurde vom Apostel Lukas fortgeführt, der die ersten ikonographischen Darstellungen der Jungfrau Maria, das Christuskind haltend, ausführte. Die Musik (Gesang) ging zurück auf die Psalmen Davids. Sogar die Liturgie (der eucharistische Gottesdienst mit der Hl. Kommunion im Zentrum) hat ihren Ursprung im Alten Bund, wobei Christi Leib und Blut das neutestamentarische Opfer ist (Jh 6,48-58), Der erste Kommunionsgottesdienst wurde vom Apostel Jakobus, dem Bruder des Herrn, zusammengestellt und gründete sich auf dessen Erleben des Heiligen Abendmahls. Auch heute noch ist er in der Orthodoxen Kirche in Gebrauch.

 

Die Katakomben

 

Die ersten Christen wurden von der Welt abgelehnt und mit Folter und Tod verfolgt. So erfüllte sich Christi Prophezeiung: Wenn die Welt euch haßt, dann wißt, daß sie Mich schon vor euch gehaßt hat. Wenn ihr von der Welt stammen würdet, würde die Welt euch als ihr Eigentum lieben. Aber weil ihr nicht von der Welt stammt, sondern weil Ich euch aus der Welt erwählt habe, darum haßt euch die Welt (Jh 15,18). Um der Verfolgung zu entgehen, flohen die Christen in die Katakomben – unterirdische Höhlengänge, in denen sie ihre Toten bestatteten – und hielten dort ihre geheimen Gottesdienste ab, im verborgenen, völlig von der Welt abgeschnitten. Sie lebten in ständiger Erwartung des Martyriums, und so waren sie stets wachsam und bereiteten sich auf die andere Welt vor. Irdischer Reichtum, Komfort und Ruhm hatten keine Bedeutung für sie, denn das Leiden entledigte sie solcher Dinge. Die Ausbreitung des christlichen Glaubens unter den Heiden rief Verfolgungen gegen die frühen Christen hervor, denn sie lehnten es ab, irgendeinen anderen Gott als den Einen Lebendigen Gott anzubeten. Viele Tausende von Männern und Frauen nahmen mutig die grausamsten Formen an Foltern, die man sich vorstellen kann, auf sich. Sie wurden für ihren Glauben enthauptet, verbrannt, ertränkt, zerschnitten und gekreuzigt; die zahllosen Aufzeichnungen und Berichte über die Märtyrer bezeugen ihre unauslöschliche Liebe zu Gott. Eusebius, der Historiker zu Beginn des 4. Jahrhunderts, schrieb: „Ich selbst war ein Augenzeuge davon. Die eisernen Werkzeuge wurden schartig und zerbrachen, und die Folterknechte selbst ermüdeten und mußten sich abwechseln, um sich zu erholen.“

 

Der Ruf zu einem gewaltsamen Tod war ständig greifbare Realität für jene, die an Gott und Seinen Christus glaubten. Das Martyrium war fortwährend der letztendliche Akt der Weltentsagung und die höchste Form des Glaubensbekenntnisses. Während es in den Augen der Welt die höchste Entehrung darstellte, war es in den Augen der Gläubigen die größte Ehre. Für die frühen Christen konnte der Leib, der ein Tempel Gottes ist, auch ein Opfer für Gott werden, wenn man bis zum Tod beharrlich blieb um der Wahrheit willen. Nur Gott und Sein Geist, tief in den Märtyrern einwohnend, ermöglichte es ihnen, im Tod, der für sie das Wahre Leben war, zu siegen.

 

Vom Standpunkt der Welt aus schien es, als würde der christliche Glaube zusammen mit den Märtyrern sterben, doch dies war nicht der Fall. Viele Heiden, die den Glauben und das Bekenntnis der Märtyrer und die Wunder, die diese vollbrachten, sahen, wurden selbst von der Wahrheit des christlichen Glaubens überzeugt und wurden Christen. Je mehr die Christen verfolgt wurden, desto mehr wuchs der christliche Glaube.

 

Der früheste Bericht über das Martyrium ist jener des hl. Stephan, der ein Diakon der Kirche war (Apg 6,5). Er wurde zu Tode gesteinigt, weil er im jüdischen Tempel verkündete, daß Jesus Christus der Messias war. Kurz vor seinem Tod schaute er zum Himmel hinauf und sah die Herrlichkeit Gottes und Jesus zur Rechten Gottes stehen (Apg 7,55).

Ein anderer Märtyrerbericht aus der Katakombenzeit des Christentums ist die Vita der hl. Katharina († 305). Sie war die Tochter eines ägyptischen Herrschers. Von Kindheit an genoß sie eine gute Ausbildung. Sie liebte die Weisheit dieser Welt, bis sie Christus begegnete, Der die wahre Weisheit ist. Da wurde sie Christin und lehrte furchtlos andere den Einen wahren Gott, Der leibgeworden war, um die Welt zu retten.

 

Dafür wurde sie unter strenger Bewachung eingekerkert und gefoltert. Als die Arena voll mit Schaulustigen war, wurde sie den weisesten Männern jener Zeit vorgeführt, damit diese sie im christlichen Glauben herausforderten. Ihre Antworten machten jeden sprachlos, und viele glaubten ihren Worten und wurden ihrerseits Christen. Dies erzürnte den König in einem solchen Maß, daß er jeden lebendig verbrennen ließ, der als Christ aufgefunden wurde. Nach weiterer Kerkerhaft wurde die hl. Katharina zum Platz geführt, wo sie hingerichtet werden sollte. Dort betete sie: „Streck Deine Hand aus, die ans Kreuz genagelt wurde um meinetwillen und empfange meine Seele.“ Nach vielen weiteren Torturen wurde sie schließlich enthauptet.

 

Die Zahl der Märtyrer, die in jenen ersten Jahrhunderten der Kirche starben, ist endlos und beweist die Kraft, die im christlichen Glauben vorhanden ist. Viele Augenzeugenberichte über Leben und Tod dieser Märtyrer existieren bis heute dank der Gläubigen, die mutig ihr Gedächtnis in den Katakomben bewahrten.

 

Das Byzantinische Reich

 

Plötzlich, inmitten all der Leiden der frühen Kirche, hörte die Verfolgung auf. Im Jahr 312 wurde Konstantin der Große, der Kaiser des Römischen Imperiums, vom Zeichen des christlichen Glaubens besiegt. Kurz vor einem entscheidenden Kampf sahen er und seine Soldaten ein leuchtenden Kreuz am Himmel, das die Inschrift trug: „In diesem Zeichen wirst du siegen.“ In der folgenden Nacht erschien ihm Christus mit dem Kreuz in Seiner Hand und sagte ihm, daß er durch dieses Zeichen seinen Feind besiegen würde und gab die Anweisung, daß die Schilde aller Soldaten das Kreuzeszeichen tragen sollten. Der Kaiser erfüllte das Gebot Gottes und siegte. Da er die Kraft des Kreuzes sah, ließ er vom Heidentum ab und nahm den christlichen Glauben an. Er stellte sein ganzes Reich unter den Schutz Christi und Seines Kreuzes. Konstantin legalisierte das Christentum und verlegte seinen Reichssitz von Rom nach Konstantinopel (Byzanz), um so einen neuen Anfang zu setzen. Er nannte diese Stadt das zweite Rom. So entstand das Byzantinische Reich – die erste christliche Gesellschaft, geleitet von christlichen Prinzipien.

 

Nun, da die Kirche frei war und die Katakomben verließ, wurden überall Kirchen oberirdisch errichtet. Einige der ersten Kirchen, die man erbaute, wurden über den heiligen Stätten errichtet, an denen Christus gelebt hatte. Später im sechsten Jahrhundert wurde ein Kloster am Berg Sinai an der Stätte des Brennenden Dornbuschs (Ex 3,2) erbaut, nicht weit entfernt von jener Stelle, an der Moses die Zehn Gebote empfangen hatte. Die meisten dieser Kirchen sind bis auf den heutigen Tag als orthodoxe Kirchen und Klöster bewahrt geblieben.

 

Mit den sichtbaren Kirchen begann das Christentum zu blühen. Es begann die Verfeinerung der christlichen sakralen Kunst der Ikonographie, die Kirchenmusik (Gesang) gedieh und die Menge der christlichen Literatur begann zu wachsen. Kurz, die Kirche wurde das Zentrum eines jeden Aspekts des Lebens. Diese Periode der Freiheit und der Erholung für die Kirche wurde zu jener Zeit, in der die Glaubensgrundlagen des christlichen Glaubens artikuliert und die Bücher ausgewählt wurden, die den Standard der Heiligen Schrift bildeten.

 

Kaiser Konstantin berief ein Bischofskonzil ein, das sich von den vier Enden der Erde aus versammelte. Dieses Konzil war das erste von sieben Ökumenischen Konzilen in der Geschichte der Kirche und wurde nach dem Vorbild des Apostelkonzils (Apg 15) gestaltet. Das Konzil von Konstantinopel formulierte das Bekenntnis des christlichen Glaubens (das Credo), damit es e i n Bekenntnis des Glaubens und nicht verschiedene Interpretationen gäbe. Vor diesem Konzil gab es keinen universell akzeptierten Kanon der Schriften des Neuen Testaments und somit keine Bibel. Es gab einfach die Berichte über das Leben Christi, verfaßt von den Aposteln Matthäus, Markus, Lukas und Johannes, und viele Epistel (Briefe) von Paulus, Petrus und anderen Aposteln. Es gab auch Briefe und Schriften von Apostelschülern wie den hll. Ignatius, Clemens, Dionysius und anderen. Eine der Personen, die auf diesem Konzil hervortraten, war der hl. Athanasios von Alexandria. Er war derjenige, der für den Kanon der Heiligen Schrift verantwortlich war, der das Neue Testament bildete, wie wir es heutzutage besitzen. Mit der Gründung des ersten christlichen Imperiums – des Byzantinischen Reichs – erschienen die Bibel, das Glaubensbekenntnis und ein ganzer christlicher Erfahrungsbereich, der das Angesicht der Welt auf ewig veränderte.

 

Das monastische Ideal

 

Doch jene Zeit der Freiheit ließ ein zentrales Problem entstehen. Ohne die Leiden der Verfolgung und des Martyriums als Mittel zur christlichen Vollkommenheit begannen sich viele Christen dieser Welt anzupassen. In ihrer Freiheit und in ihrem Reichtum begannen sie zu vergessen, daß es im christlichen Leben darum geht, die Seele aus dieser Welt heraus in das ewige Reich zu führen. In diesem Leben ist es ein Pfad des Leidens, doch er führt zum Frieden im kommenden Leben. Folglich flohen Männer und Frauen, die spirituelle Vollkommenheit statt der Freuden dieser Welt suchten, in die Wüsten und Wildnisse von Palästina und Ägypten. Wie die Mauern der Katakomben isolierten sie die ausgedehnten Flächen der Wüsten vor dem Einfluß der Welt und boten ihnen die Möglichkeit für ein stärker auf Gott zentriertes Leben. Durch ein Leben des Gebets, des Fastens, der Selbstverleugnung, der Keuschheit und Wachsamkeit wurden diese Asketen zu lebenslangen Märtyrern. Sie wurden bekannt als Mönche und Nonnen.

 

Obwohl sich das Mönchtum im vierten Jahrhundert entwickelte, liegt sein Ursprung in der Zeit des Alten Bundes, als Gott Moses das Nasiräergelübde offenbarte – ein zölibatäres Gelübde, in dem man sein Leben Gott weihte (Num 6,2). Von Elias bis zu Johannes dem Täufer gab es unter den Propheten viele Beispiele des Nasiräergelübdes. Später wurde es vervollkommnet im Leben Christi. Nachdem der Apostel Markus, der die Kirche von Ägypten gründete, Zeuge des Vorbildes Christi geworden war, begann er die erste asketische Gemeinschaft, die diese Lebensweise fortsetzte. Diese Gemeinschaften hatten als ihr Vorbild die Propheten des Alten Bundes und verhielten sich nach den Prinzipien, die in Apg 4,32 dargestellt werden. Die Bewohner dieser ersten Klöster (gr. moní) nannte man Mönche (gr. monachós), abgeleitet vom griechischen mónos: allein – jemand, der es sich erwählt, allein mit Gott zu sein. Aus diesen Gemeinschaften gingen im vierten Jahrhundert die großen Mönchs-heiligen Ägyptens hervor.

 

Eine der frühesten Berichte über einen Mönch ist das Leben des hl. Antonios des Großen († 356). Als er noch jung war, starben seine reichen Eltern plötzlich und hinterließen ihm ihren ganzen Besitz. Traurig über ihren Tod ging er eines Tages in die Kirche und hörte die Worte, die der Priester aus der Heiligen Schrift las: Wenn du vollkommen sein willst, geh, verkauf deinen Besitz und gib das Geld den Armen, so wirst du einen bleibenden Schatz im Himmel haben (Mt 19,21). Als Antonios dies hörte, begann sein Herz für Christus zu brennen. Daraufhin ging er nach Hause, gab sein ganzes Erbe den Armen und begab sich in die ägyptische Wüste, um mit Gott allein zu sein. Er lebte dort, bis er mehr als hundert Jahre alt war – im Gebet, Fasten und in der Lektüre der Heiligen Schrift. Tausende anderer, die von seiner Lebensweise vernahmen, folgten seinem Beispiel, und das Mönchtum begann sich überallhin auszudehnen. Nachdem Antonios gestorben war, schrieb der hl. Athanasios der Große, der ihm nahestand, sein Leben zur Erbauung anderer auf. Dies war derselbe Athanasios, der für die Zusammenstellung der Heiligen Schrift verantwortlich war, die als die Bibel, die wir heute haben, bekannt ist. Durch Athanasios wurde dieses Heiligenleben in der ganzen Welt bekannt und veränderte durch diese Schilderung jenes einfachen Mönches, der in einer Höhle lebte, des hl. Antonios, das Antlitz der Geschichte.

 

Diese Lebensweise, die man Mönchtum nannte, verbreitete sich schnell in der ganzen Welt und bewahrte denselben authentischen Geist der frühen Kirche. Ganze Städte und Gesellschaften hatten ihren Ursprung in der schlichten Armut dieser Mönche. Zuerst ließ sich ein Mönch an irgendeinem unbewohnten Ort nieder, dann siedelten andere in der Nähe, und mit der Zeit wuchsen Dörfer und Ortschaften. Auf diese Weise verbreitete sich das Mönchtum in Ägypten, Äthiopien, Griechenland, Italien, Irland, Frankreich, Rumänien, Serbien, Rußland und bis zu den Enden der Erde.

 

Die große Spaltung

 

Zu Beginn der christlichen Kirche ernannten die Apostel Nachfolger, um die Kirche zu leiten und zu behüten. Diese Leiter wurden Priester, Bischöfe und Patriarchen genannt. Priester wurden ernannt als Hirten einzelner Kirchen, Bischöfe wurden ernannt als Hirten über bestimmte geographische Regionen, die oft Hunderte von Kirchen umfaßten, und Patriarchen hatten die geistliche Leitung über die Bischöfe und Priester der Kirche inne. Diese Form der Hierarchie wurde aus der alttestamentarischen Zeit Moses’ übernommen (Ex 18,13-21).

 

Obwohl in der ganzen christlichen Welt Hunderte von Bischöfen wirkten, gab es nur fünf Patriarchen – je einer in den fünf wichtigen Städten im Imperium: Jerusalem, Alexandria, Antiochia, Konstantinopel und Rom. Alle berieten miteinander, wobei sie als ihr Haupt Christus hatten, und es gab nicht eine einzelne Person, die die Kirche regierte. Alle bedeutenden Entscheidungen wurden nur im Konzil beschlossen, nicht ein einzelner Patriarch oder Bischof hatte die absolute Superiorität über die anderen, sondern alle arbeiteten in Gleichheit zusammen. Durch diese Hierarchie gelang es der Kirche über Jahrhunderte hinweg, die Einheit zu bewahren.

 

Im neunten Jahrhundert jedoch begannen Osten und Westen auseinanderzudriften. Der Patriarch von Rom (Papst) begann neue und fremde Ideen in den Glauben einzuführen. Eine dieser Ideen war das Primat des römischen Papstes über den Rest der christlichen Kirche. Die anderen vier Patriarchen der Kirche im Osten versuchten ohne Erfolg, den Papst von Rom davon abzubringen, diese neue Idee einzuführen, da sie wußten, daß die Einführung eines einzelnen obersten Kirchenführers über die ganze Kirche diese spalten und verderben würde.

 

Eine weitere neue Idee, die der Papst von Rom einzuführen begann, war die Veränderung des seit Jahrhunderten bestehenden christlichen Glaubensbekenntnisses, das durch die frühe Kirche festgelegt worden war. Das Glaubensbekenntnis (Credo) ist die Summe des christlichen Glaubens, deren Grundlagen seit der Zeit der Apostel, basierend auf der Heiligen Schrift, feststanden. Die Kirche im Osten warnte die westliche Kirche vor den Gefahren, wenn man irgendeinen Teil des Glaubens verändert und besonders das Glaubensbekenntnis selbst. Doch die Veränderung war schon voll im Gang, und die Bischöfe im Westen hatten bereits begonnen, diese neuen Ideen aufzunehmen, obwohl die Gläubigen Widerstand leisteten.

 

In diesen schwierigen Zeiten der Spaltung fanden viele Dialoge zwischen der Kirche des Ostens und der Kirche des Westens im Versuch statt, ihre Unterschiede aufzuarbeiten. Da die Orthodoxe Kirche keine Kompromisse einging und nicht gestattete, daß irgendwelche Veränderungen im Glauben vorgenommen wurden, trennte sich im Jahr 1054 die Römische Kirche offiziell vom Rest der Kirche.

 

Die Spaltung basierte auf Fragen der Macht und der Theologie, und im Hintergrund dieser Fragen stand der folgende trennende Faktor: Im Osten sah man die Kirche immer als etwas Jenseitiges, das die Gläubigen zum Himmel hin ausrichtet, während im Westen die Kirche diesseitig-innerweltlich zu werden begann, das die Gläubigen auf eine irdische Organisation hin orientiert statt auf den geistigen Organismus des Leibes Christi. So begann die „Organisation Religion“.

 

Obwohl der Rest der Christenheit versuchte, Rom zurückzurufen zum orthodoxen Verständnis des Christentums, hatte Rom bereits seine Entscheidung getroffen, einen anderen Weg einzuschlagen und nicht zurückzukehren. Dies war die erste Spaltung (Gruppierung) im westlichen Christentum, die erste von Tausenden, wie sich später herausstellte.

 

Im Lauf der Jahre nach dem verheerenden Schisma, erfuhr der Westen ungeheuren Aufruhr und Verfall. Die Kreuzzüge begannen, die sich zu einem Angriff auf die Kirche des Ostens entwickelten. Dann kam die Inquisition, dann die Renaissance, die heidnische Ideen zurückbrachte und mit dem Christentum vermischte, und schließlich die protestantische Reformation. Der Westen erfuhr das „Finstere Zeitalter“ oder „Mittelalter“, das den allmählichen Übergang zwischen der alten christlichen Weltsicht und der modernen gottlosen kennzeichnete. Der Osten erlebte ein solches Mittelalter nicht, denn die Orthodoxe Kirche bewahrte das Christentum der Apostel und der frühen Kirche.

 

Die Orthodoxie erlitt weiterhin Martyrium und Verfolgung durch die Welt – diesmal durch das moslemische Joch. Wie es war unter der Verfolgung durch die heidnischen Römer, so bewahrte das Leiden aus der Hand der Moslems die Kirche auch jetzt rein, idem es keine lauwarme Haltung gegenüber dem Glauben erlaubte.

 

Das dritte Rom

 

Ungefähr in der Zeit, in der die Römische Kirche abfiel, wurde die Orthodoxe Kirche durch die Bekehrung einer ganzen Nation vergrößert. Dies war die slavische Nation von Rußland. Die Schritte hin zu dieser Bekehrung begannen zuerst im Jahr 863, als zwei missionarische Mönche aus dem Byzantinischen Reich, die hll. Kyrill und Method, den Fuß in die slavischen Länder von Bulgarien und Serbien setzten. Durch ihre Mühen erreichte das Christentum schließlich Rußland. Obwohl sie aus dem entfernten Konstantinopel stammten, waren sie mit den slavischen Völkern und ihrer Sprache von Kindheit an vertraut. Da die slavischen Völker keine geschriebene Sprache hatten, entwickelte der hl. Kyrill das slavische Alphabet aus dem Griechischen, um die Heilige Schrift zu übersetzten.

 

Obwohl die hll. Kyrill und Method das Evangelium den slavischen Nationen brachten, fand die vollständige Umkehr des russischen Volkes erst einhundert Jahre später statt. Rußland war fast völlig heidnisch zu jener Zeit, obgleich es kleine Nischen des Christentums dank der Bemühungen des Apostels Andreas gab. Der Apostel Andreas hatte in Rußland das Evangelium verkündet und Kreuze in Kiev und auf der Insel Valaam im Ladoga-See im Norden aufgestellt. Fast tausend Jahre nach dem hl. Andreas entschied Fürst Vladimir, daß eine offizielle Religion notwendig sei für sein Land. Auf der Suche nach dem wahren Glauben erforschte er alle großen Religionen der Welt und schickte Gesandte, die deren Kirchen und Tempel besuchen sollten. Nachdem sie verschiedene Religionen erkundet hatten, kehrte die Gesandtschaft zum Fürsten zurück und sagte: „Als wir zu den Griechen kamen und diese uns in das Gebäude führten, wo sie ihren Gott anbeten, wußten wir nicht, ob wir im Himmel oder auf Erden waren. Denn auf der Erde gibt es nicht solche Pracht oder Schönheit, und wir vermöchten sie nicht zu beschreiben. Wir wissen nur, daß Gott dort unter den Menschen wohnt und ihr Gottesdienst die Gottesdienste aller anderen Nationen übertrifft.“ Der Fürst nahm den orthodoxen christlichen Glauben an, wurde getauft und befahl, alle Götzenbilder im Land zu zerstören.

Es dauerte nicht lange, da wurde das ganze russische Land zu einer Bastion des Christentums, erfüllt mit vielen Heiligen. Bald bedeckten Kirchen das Land, Klöster erfüllten die Weiten der Wildnis, und goldene Kuppeln waren zu sehen, die über jeder Stadt und jedem Ort prangten.

 

Dann geschah im Jahr 1453 eine große Tragödie. Der Sitz des Byzantinischen Reiches in Konstantinopel wurde von den moslemischen Türken eingenommen, die seit Jahrhunderten gegen die christlichen Nationen Krieg führten. Der Fall von Byzanz führte zum Aufstieg des Neuen Byzanz – des Heiligen Rußland. Es scheint, als wäre Rußland zur Bewahrung des orthodoxen Glaubens berufen worden. Das erste Rom hatte sich von der Orthodoxie abgewandt und das zweite war gefallen. So wurde Moskau das dritte Rom.

 

Genauso wie in Byzanz war jeder Aspekt des Lebens in Rußland um die Kirche und das christliche spirituelle Leben herum angeordnet, dennoch entstand auch hier die Notwendigkeit zu einem viel tieferen, auf Gott zentrierten Leben, das nur die Wüste zu bieten vermag. In Rußland wurde die rauhe Wildnis zur Wüste, die Einsamkeit und Strenge für das auf Gott zentrierte Leben, genannt Mönchtum, bot. Der Gründervater des russischen Mönchtums war der hl. Antonij von Kiev († 1073). Nachdem er auf dem Berg Athos in Griechenland Mönch geworden war, kehrte er in sein Heimatland zurück und ließ sich in einer Höhle in Kiev nieder. Nach kurzer Zeit entstand in der Umgebung dieser Höhle ein ganzes Kloster. Bald verbreitete sich das monastische Ideal in ganz Rußland, sogar in der tiefsten Wildnis.

 

Während der tausend Jahre des Christentums in Rußland gab es stets Heilige, die den Geist der frühen christlichen Kirche fortsetzten. Zum Beispiel gab es dort den hl. Seraphim von Sarov († 1833), ein Mönch, der von Kindheit an ein sehr reines Leben führte. Er hatte die Gnadengaben der Heilung und des unablässigen Gebets und war umgeben von einem wunderbaren, unirdischen Licht. Dies war dasselbe göttliche Licht, mit dem lange Zeit zuvor Christus Seine Apostel erleuchtet hatte und das die Apostel bis an die Enden der Welt trugen.

 

Die Enden der Welt

 

Als sich Rußland auf großer geistiger Höhe befand, wurde eine Gruppe von orthodoxen Missionaren nach Osten über Sibirien in die Neue Welt gesandt, um dort den Schatz des orthodoxen christlichen Glaubens zu verbreiten. Im Jahr 1794 wurde eine Gruppe von zehn Mönchen aus dem Kloster Valaam auf jener Insel, wo der Apostel Andreas Jahrhunderte zuvor den christlichen Glauben verkündet hatte, zusammengestellt. Im Geist des Apostels fuhren diese russischen Mönche nach Alaska, und durch Liebe und Selbstaufopferung brachten sie Tausende von Eingeborenen zum christlichen Glauben. Einer dieser missionarischen Mönche erlitt das Martyrium, während ein anderer in der Neuen Welt das Mönchsleben im Geist des hl. Antonios des Großen und des hl. Antonij von Kiev begann. Dies war der hl. Herman († 1836), der der erste Heilige im Land Amerika wurde. So wurde durch Rußland das Christentum der Apostel, der Katakomben und des Byzantinischen Reichs in die amerikanische Erde eingepflanzt.

 

Nach dem Tod des hl. Herman wurde das Erbe des orthodoxen Christentums in der Neuen Welt vom hl. Innokentij († 1879) weitergetragen. Er war ein einfacher Priester aus Sibirien, der eine unstillbare Sehnsucht danach hatte, sein ganzes Leben dem Dienst Gottes zu widmen. Diese Sehnsucht erfüllte sich, als er in die Wildnis von Alaska fuhr. Dort reiste er durch dieses Grenzland der Erde wie die Apostel lang zuvor durch andere Länder, lebte in Bedrängnis und Schwierigkeiten, litt unter extremer Armut und hatte mit den rauhen Naturelementen zu kämpfen – einzig mit dem Ziel, den Himmel für so viele Seelen wir möglich zugänglich zu machen. Der hl. Innokentij hatte eine Schriftsprache für die Eingeborenen von Alaska zu entwickeln, wie die hll. Kyrill und Method dies lange Zeit zuvor für die slavischen Völker getan hatten, so daß diese neuen Christen das Wort Gottes in ihrer eigenen Sprache vernehmen konnten.

 

Der hl. Innokentij war später Bischof von Alaska und opferte sich weiterhin für seine Herde auf. Im hohen Alter kehrte er in seine Heimat zurück, wo er zum Oberhaupt der Russischen Kirche (einem Patriarchen gleichrangig) gewählt wurde. Als er Oberhaupt der ganzen Russischen Kirche war, begann er, missionarische Gesellschaften zu gründen mit dem Ziel, das Evangelium bis an die Enden der Welt zu verbreiten. Nachdem er sein ganzes Leben im Dienst Gottes verbracht hatte, starb der hl. Innokentij in seinem Heimatland und fand seine Ruhe mit den Heiligen im Himmel.

 

Weniger als zwanzig Jahre später wurde ein großes Licht des zwanzigsten Jahrhunderts im Heimatland des hl. Innokentij geboren, der eines Tages das apostolische Werk in Amerika fortsetzen sollte. Dies war der hl. Ioann Maksimovič. Von Kindheit an liebte er Christus und Seine Kirche mehr als alles andere in der Welt. Diese Liebe wurde erprobt, als seine russische Heimat kommunistisch/atheistisch wurde und eine der blutigsten Verfolgungen in der Geschichte des Christentums begann. Die Kirche mußte noch einmal in die Katakomben gehen, um zu überleben. In diesen schwierigen Zeiten bewahrte Gott das Leben des hl. Ioann, und er entkam in das orthodoxe Land Serbien, wo er später Mönch wurde. Bald darauf wurde er zum Bischof geweiht.

 

Als Bischof und Nachfolger der Apostel ging er nach China, wo er orthodoxe Kirchen gründete. Er organisierte ein Waisenheim und sorgte für vernachlässigte Kinder. Er ging sogar in die Slums, fand kleine Kinder in Mülltonnen und nahm sie mit nach Hause. Später wurde er gebeten, Bischof von San Francisco in den Vereinigten Staaten zu werden, wo er sein Lebenswerk fortsetzte und das Evangelium verbreitete.

 

Obwohl er in der Stadt lebte, entsprach seine Lebensweise der eines Wüstenmönchs aus alter Zeit. Er betete ohne Unterlaß, aß nur einmal am Tag sehr wenig, schlief nur drei Stunden in der Nacht und opferte sich völlig für Gott und seine Nächsten. Er wählte absichtlich diese schwierige Lebensweise, weil ihm der Himmel wichtiger war als die Annehmlichkeiten der Erde. Dadurch erlangte er solche Höhen der christlichen Vollkommenheit, daß er mehrere Male gesehen wurde, wie er von einem unirdischen Licht umgeben war, das von ihm ausging, und ihm war die Gnadengabe gegeben worden, Wunder zu wirken. Im Jahr 1966 entschlief der hl. Ioann und wurde in San Francisco zur Ruhe gelegt. Bis zum heutigen Tag wird er zusammen mit dem hl. Herman, dem hl. Innokentij und allen Heiligen der Orthodoxen Kirche dafür verehrt, daß er das Licht Christi bis an die Enden der Welt getragen hat.

 

Zusammenfassung

 

Von der Zeit der Heiligen der frühen Kirche bis zu den Heiligen unserer eigenen Tage, der Heiligen unseres Jahrhunderts, ist die ursprüngliche Kirche Christi als ein Schatz bewahrt geblieben, der von Gott Selbst der Menschheit gegeben wurde. Im Lauf der Jahrhunderte hat diese allumfassende Orthodoxe Kirche die Fülle der christlichen Erfahrung, der Theologie und der Spiritualität kontinuierlich bewahrt. Sie wird uns in der Liturgie gegeben, im Glaubensbekenntnis, in der Bibel, im Mönchtum und in der ganzen christlichen Weltsicht.

 

Dies mag für jene überraschend sein, die dachten, daß die geteilte und fragmentierte christliche Erfahrung des Westens der einzige Ausdruck der Kirche sei. Andere jedoch, die die Östliche Kirche entdeckt haben, finden Ruhe für ihre Seelen; jene, die hungern nach der ursprünglichen, historischen christlichen Kirche, die die Apostel begannen und die noch in unserer Zeit existiert.

Diese Kirche erstreckt sich von den Heiligen im Himmel hinunter zu den Gläubigen hier auf Erden, um uns von der Erde zu den Höhen des Himmels zu erheben. Somit ist das Wesen der Kirche nicht in irdischen Institutionen zu finden, sondern muß im spirituellen Leben der Kirche gesucht werden, das im Herzen stattfindet, denn Christus offenbart sich im Herzen.

Wenn sich Christus einer Seele offenbart, wird das Herz zum Kampfplatz, auf dem sich der Christ seinen Weg zum Himmel erkämpft. Dieser Kampf, zusammen mit jenem, in dem das ganze Leben hindurch das Gute über das Böse zu siegen bestrebt ist, die Tugend über das Laster, wird „Unsichtbarer Krieg“ genannt – dies ist die Essenz des spirituellen Lebens des Christen. Im Verlauf dieses Kampfes wird die Seele gereinigt, damit sie ein Ort für den lebendigen Gott wird, in den Dieser einzieht und in dem Er Wohnung nimmt. Dies ist das wahre und letzte Ziel der Kirche. Alles andere im Leben ist nur sekundär.

Um diese Kirche zu gründen, kam Gott hinunter zur Erde, wurde Mensch, litt, starb, auferstand von den Toten und stieg auf in den Himmel. Dadurch zeigte Gott der Menschheit den Weg von der Erde zum Himmel und gab uns Seine heilige Kirche als Ort, wo Himmel und Erde einander begegnen und die Kommunion mit Gott beginnt.

 

Der Eintritt in die Pforte zum Paradies

 

Da die Orthodoxie die Fülle des ursprünglichen, apostolischen Christentums ist, ist es erforderlich, um ein wahrer orthodoxer Christ zu sein, Christ im vollsten Sinn des Wortes zu werden. Und das ist nicht leicht. Es bedarf einer Lebenszeit des ständigen unsichtbaren Krieges, asketischer Disziplin, Selbstverleugnung, Selbstkreuzigung und aktiver, selbstloser Liebe. Um wahrhaft orthodox zu sein, muß man sich selbst sterben und sein Leben hassen (Lk 14,26) – das heißt, das Leben seines eigenen Egos. Du mußt für die Eigenliebe und den sinnlichen Genuß sterben, die, wie die Väter lehren, die ersten Ergebnisse des Sündenfalls und die Wurzeln aller Sünden sind. Du mußt in dich selbst schauen und dich mit deiner Sünde konfrontieren, die sich nicht nur in einzelnen Handlungen äußerst, sondern als ein umfassender Zustand. Dann mußt du darangehen, auch all die subtilsten Leidenschaften auszureißen, die dich von Gott trennen. Du mußt den Wunsch nach Vergeltung durch Vergebung überwinden, was nur durch die Gnade Gottes geschehen kann. Du mußt dein ganzes Verlangen danach, beliebt zu sein, auch bei anderen Mitgliedern der Orthodoxen Kirche, abschneiden; den Wunsch nach Akzeptanz, Anerkennung, Würdigung und „Liebe“.

 

Christus sagte: Wer nicht sein Kreuz trägt und Mir nachfolgt, kann nicht Mein Jünger sein. Wenn einer von euch einen Turm bauen will, setzt er sich dann nicht zuerst hin und rechnet, ob seine Mittel für das ganze Vorhaben ausreichen? (Lk 14,27-28). Viele Menschen nehmen das Kreuz Christi nicht auf sich, weil sie meinen, es würde zu viel von ihnen verlangen. Andere nehmen es, doch da sie nicht die Kosten bedacht haben, legen sie es wieder ab, da es ihnen zu schwer wird. Noch andere werden orthodox, tun dies aber mit weltlichen Motiven: mit dem Wunsch, offiziell zu sein, wichtig oder anerkannt; dem Wunsch, „korrekter“ und historisch authentischer zu sein als Protestanten oder Römisch-Katholische; dem Wunsch die wundervolle Ästhetik der orthodoxen Liturgien zu erfahren usw. Wer so vorgeht, wird allerdings niemals in das Wesen des orthodoxen Christentums gelangen. Da sie niemals wirklich das Kreuz Christi auf sich genommen haben, werden sie niemals die unirdische Freude Seiner Auferstehung kosten.

 

„Wer Gott zu dienen wünscht“, sagt der hl. Basileios der Große (4. Jh.), „muß sein Herz auf Kümmernisse vorbereiten.“ Der orthodoxe christliche Glaube ist ein leidender Glaube, denn durch Leiden können wir schließlich zu unserem wahren Zustand erwachen, bereuen, von Christus gereinigt und in dieser Läuterung zu einem Wohnort des Heiligen Geistes werden. Der hl. Gregor der Theologe, der große Theologe des vierten Jahrhunderts, beschrieb das wahre Christentum als „leidende [Leid-tragende] Orthodoxie“. Dies auf sich zu nehmen, ist das denkbar radikalste, forderndste Alles-oder-Nichts-Leben. Alle falschen Motive müssen fortfallen, fortgebrannt werden im Feuer des Leidens für Jesus Christus. Du mußt bis zum Maß, in dem du dazu fähig bist, die Leiden, die Verfolgung und Kreuzigung, die die orthodoxen Heiligen im Verlauf der Jahrhunderte erlitten haben, kosten. Um in ihre himmlische Gemeinschaft einzutreten, mußt du den Preis bezahlen. Christus sagt: Eng ist das Tor und schmal ist der Pfad, der zum Leben führt, und nur wenige finden ihn (Mt 7,14). Dieser Weg ist durch den Schmerz des Herzens und Tränen der Reue zu finden. Gemäß deiner Sehnsucht und deinem Streben wirst du eintreten; du wirst die Früchte des Paradieses schon in diesem Leben kosten, und Christus wird deine Leiden mit Seiner Gegenwart erfüllen. Dann wirst du die Freude der Auferstehung kennen, denn du wirst die Auferstehung in deiner eigenen Seele erfahren haben. Du wirst im Inneren ein neues Wesen sein, und du wirst das Reich Gottes in dir finden.

 

Durch die Mysterien, die Schrift, die geistige Disziplin und die asketischen Lehren der Orthodoxen Kirche wirst du die Pforte zum Paradies finden.Und dann wirst du in deinem eigenen Herzen, in deinem eigenen inneren Sein, das Paradies selbst finden. Du wirst finden, was wahres Gebet ist, und du wirst Ihn finden, Der dich dein ganzes Leben lang gerufen hat: Christus, den Bräutigam deiner Seele.

 

Mönch John M.

Youth of the Apocalypse Outreach,
St. Herman of Alaska Brotherhood,
Forestville, Ca.

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