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Die Russische Orthodoxe Kirche in Deutschland

 

 

1. Teil: Von den Anfängen bis zum 1. Weltkrieg

 

 

Die erste Stätte im deutschen Sprachraum, an der einigermaßen regelmäßig orthodoxer Gottesdienst gefeiert worden ist, lag außerhalb des Territoriums des damaligen "Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation". Es war Königsberg, die Hauptstadt des Herzogtums Preußen, das heutige Kaliningrad, wo es seit 1655 russische orthodoxe Gottesdienste gibt. Bald wurden dann auch an anderen Orten orthodoxe Kirchen eingerichtet, so 1718 in Berlin, als Kaiser Petr I. dem preußischen König Friedrich Wilhelm I. eine Gruppe von 55 großgewachsenen Grenadieren für dessen Paradetruppe der "Langen Kerls" überließ.

Nachdem Breslau unter preußische Herrschaft gekommen war, konzidierte König Friedrich II. im 1750 den "Kaufleuten aus der Ukraine, russischer Nation" in Breslau, "daß sie ihren Gottesdienst nach den Gebräuchen und Gewohnheiten der morgenländischen Kirche in einem zu solchem Behufe daselbst zu mietenden Hause einrichten und frei und ungehindert exerzieren und mit einem Priester und anderen benötigten Kirchenbedienten versehen mögen".

In den Beginn des 19. Jahrhunderts fällt die Errichtung der ältesten bis heute existierenden russischen Gemeinde auf deutschem Boden.

Es handelt sich dabei ursprünglich um eine Gruppe von 62 russischen Soldaten, die 1813 von Kaiser Aleksandr I. seinem Verbündeten im Kampf gegen Napoleon, dem preußischen König Friedrich Wilhelm III., als Grundstock eines russischen Militärchores geschenkt worden waren. Für sie errichtete der preußische König 1826 eine eigene Siedlung mit Holzhäusern im russischen Stil, die Kolonie "Alexandrowka" bei Potsdam. Dort wurde auch eine Kirche zu Ehren des hl. Aleksandr von der Neva erbaut, die im September 1829 geweiht werden konnte.

In den nächsten Jahrzehnten wurden dann vermehrt russische orthodoxe Kirchen in Deutschland errichtet. Allerdings waren die wenigsten von ihnen wirkliche Gemeindekirchen, sondern zumeist verdankten sie anderen Überlegungen ihre Entstehung. So handelte es sich teilweise um Grabkirchen in Deutschland verstorbener orthodoxer Persönlichkeiten fürstlichen Standes, so die Kirche auf dem Rotenberg bei Untertürkheim im Königreich Württemberg, die 1861 erbaute "Griechische Kapelle" auf dem Neroberg in der damaligen hessen-nassauischen Residenzstadt Wiesbaden und die 1862 geweihte in Weimar, die sämtlich Mausoleen für in Deutschland verstorbene russische Großfürstinnen darstellen. Andere Kirchen dienten den russischen Gesandtschaften für ihre Gottesdienste, so in Berlin in der Russischen Botschaft Unter den Linden, Dresden (erbaut 1874) und Stuttgart (erbaut 1895), wieder andere wurden in jenen Kurorten erbaut, in denen zahlreiche russische, aber auch reiche rumänische, bulgarische und griechische Gäste erwartet wurden.

So entstanden in Preußen die Kirchen in Bad Ems (1876) und Bad Homburg vor der Höhe (1899), im Großherzogtum Baden in Baden-Baden 1882, im Königreich Bayern in Bad Kissingen (1901) und Bad Brückenau (1908) und im Großherzogtum Hessen und bei Rhein in Bad Nauheim (1907).

Wieder andere orthodoxe Gottesdienststätten gingen zurück auf dynastische Verbindungen zwischen dem russischen Kaiserhaus und deutschen Fürstengeschlechtern und befanden sich daher auch zumeist in den Schlössern - so in Mecklenburg-Schwerin und Karlsruhe - oder in deren Nähe wie in Darmstadt, wo die 1899 erbaute kleine Kirche auf der Margaretenhöhe ein Geschenk des Großherzogs Ernst Ludwig an seinen Schwager, Kaiser Nikolaj II., und seine Schwestern, die russische Kaiserin Aleksandra und die inzwischen kanonisierte Großfürstin Elizaveta Feodorovna, darstellt. So nahm an der Weihe der Kirche auch das russische Kaiserpaar persönlich teil.

 

Waren die orthodoxen Gemeinden bei den meisten der genannten Kirchen nur sehr klein und umfaßten selten mehr als einige Dutzende Mitglieder, so wirkten doch etliche bedeutende Persönlichkeiten zeitweilig als Geistliche in Deutschland wie beispielsweise der spätere Rektor der St. Petersburger Geistlichen Akademie (1866-1883) und Spiritual der Kaiserlichen Familie (1883-1910), Protopresviter Ioann Janyschev (1826-1910) oder Probst Erzpriester Aleksij Mal'cev (1854-1916), der nicht nur die Berliner Kirche des hl. Fürsten Vladimir in der Kaiserlich-Russischen Botschaft Unter den Linden, sondern auch zahlreiche andere russische Kirchen in Deutschland betreute und teils erst begründete. Besonders der Letztgenannte darf zu denjenigen gezählt werden, denen - etwa durch die Gründung der Hl.-Vladimir-Burderschaft - eine Verwurzelung der Orthodoxie in Deutschland zu verdanken ist. Insbesondere hat er eine bis heute im Hinblick auf Vollständigkeit und praktische Anordnung unübertroffene vielbändige Ausgabe der liturgischen Texte der Orthodoxen Kirche in deutscher Sprache, oft mit russisch-kirchenslavischem Paralleltext, ediert und somit die Basis für die Feier des Gottesdienstes in deutscher Sprache gelegt.

Die Aufbauarbeit Probst Mal'cevs, der sogar den Rektorenstuhl der St. Petersburger Akademie und den Bischofssitz von Nordamerika ausgeschlagen hatte, um in Deutschland bleiben zu können, wie auch anderer russischer Geistlicher wurde durch die Kriegserklärung des Deutschen Reiches an Rußland vom 1. August 1914 abrupt unterbrochen. Allenthalben kam das russische Gemeindeleben in Deutschland während der Kriegsjahre zum Erliegen.

 

 

2. Teil: Die Folgen zweier Weltkriege

 

 

Hingegen stieg nach dem Oktoberputsch in Rußland und der Machtergreifung der Bolschewisten bzw. durch den nachfolgenden Bьrgerkrieg die Zahl der Emigranten aus dem ehemaligen Russischen Reich in kürzester Zeit rapide an. Ein erheblicher Teil von ihnen wählte Deutschland als Zufluchtsort. So verzeichnete der Völkerbund 1923 rund 600.000 Emigranten aus dem ehemaligen Russischen Reich in Deutschland, wobei diese allerdings meist an Orten bzw. in Gegenden lebten, die mit orthodoxen Kirchen unterversorgt waren: Nicht die feudalen Badeorte der Vorkriegszeit vermochten die verarmten Emigranten zu beherbergen, sondern die Elendsviertel der Großstädte. Zwar verringerte sich bald schon wieder die Zahl der russischen Flüchtlinge im Deutschen Reich infolge der instabilen Wirtschaftslage dort, und zogen bereits Mitte der Zwanziger Jahre viele der russischen Emigranten weiter nach Frankreich, in die Vereinigten Staaten oder die Tschechoslowakische Republik, ja nach Südamerika. Doch blieb ein nicht unerheblicher Rest, so daß durchaus an etlichen Orten ein Bedarf zur Errichtung neuer orthodoxer Gemeinden bestand. Doch waren die meisten Emigranten viel zu arm, um sich neue eigene Kirchbauten leisten oder auch nur den Unterhalt von angemieteten Räumen in repräsentativen Gebäuden und die Bezahlung der dafьr benötigten Geistlichen garantieren zu können. So existierten vor dem Zweiten Weltkrieg im wesentlichen noch die gleichen Kirchbauten wie vor dem Ersten. Lediglich in München, Augsburg, Breslau, Hannover-Linden und Danzig wurden russische orthodoxe Gemeinde, aber ohne eigene Kirchengebäude, errichtet.

In der ganzen Zeit von 1914 bis in den Zweiten Weltkrieg wurde nur ein einziges orthodoxes Gotteshaus neu errichtet, und zwar die russische Kathedrale zu Berlin, die zuerst seit November 1928 in der dritten Etage eines von der dortigen Gemeinde erworbenen Mietshauses eingerichtet worden war. Doch schon ein Jahr später mußte die Gemeinde ihr Haus zwangsversteigern und die benötigten Räumlichkeiten, auch den Gottesdienstraum, selbst anmieten.

Archimandrit Tichon (Ljaschenko), der seit 1921 die Berliner Gemeinde leitete und 1924 von Metropolit Evlogij (Georgievskij) zum Vikarbischof ordiniert worden war, war im November 1926 von der Synode der russischen Auslandsbischöfe zum Bischof von Berlin und Deutschland ernannt worden. Allerdings unterstellten sich ihm nicht alle in Deutschland befindlichen russischen Gemeinden, denn der Streit in der russischen Emigration begann sich auch auf Deutschland auszuwirken.

 

Der Hintergrund dazu war, daß es in dieser Zeit zum Bruch zwischen dem Vikarbischof und seinem in Paris residierenden Metropoliten Evlogij kam, dem Patriarch Tichon und der Petrograder Metropolit Veniamin die Verwaltung aller russischen Kirchen in Westeuropa übertragen hatte. Zu dieser Zeit handelte Metropolit Evlogij noch in übereinstimmung sowohl mit der Heimatkirche des Moskauer Patriarchates wie auch der Synode der Auslandsbischöfe. Als sich nun in Rußland der antireligiöse Terror der kommunistischen Regierung steigerte und immer mehr Geistliche in Bedrängnis gerieten, vor allem aber Patriarch Tichon Loyalitätserklärungen gegenüber dem Sowjetstaat abgeben mußte, argumentierte die inzwischen unter Leitung von Metropolit Antonij (Chrapovickij) gebildete Synode der Auslandsbischöfe, die auf Einladung der Serbischen Orthodoxen Kirche in Sremski Karlovci [Karlowatz in Syrmien] in Nordserbien eine Heimat gefunden hatte, daß eine reguläre kirchliche Gewalt in Rußland nicht existiere, die so frei handeln könne, daß man ihr Gehorsam schulde. Ihrerseits legten sich die Auslandsbischüfe in politischen Fragen eindeutig auf die monarchistische Linie fest und forderten auf einem Konzil in Sremski Karlovci 1922 die Wiederherstellung des russischen Kaisertums unter dem GroЯfürsten Kirill Vladimirovic als Zar Kirill I. Daraufhin erklärte Patriarch Tichon am 18.3./1.4.1922:

1. Ich erkläre das Konzil des Auslandsklerus und der Laien in Karlovci für bar kanonischer Bedeutung; seine Botschaft über die Wiederherstellung der Dynastie Romanov und sein Sendschreiben an die Konferenz zu Genua drücken nicht die offizielle Stimme der Russischen Kirche aus.

2. Angesichts dessen, daü sich die russische Kirchenleitung im Ausland auf das Gebiet der politischen Aktionen begibt, ... halte ich dafür, die Oberste Kirchenleitung im Ausland aufzulösen.

3. Der Heilige Synod sollte über die kirchliche Verantwortlichkeit einiger geistlicher Personen im Ausland bezüglich ihrer im Namen der Kirche vorgebrachten politischen Stellungnahmen zu Gericht sitzen".

 

Während Metropolit Evlogij dem Patriarchen weiter die Treue hielt und ihm Gehorsam leistete, erklärte die Synode in Karlovci die Auflösungsverfügung Patriarch Tichons für ungültig, da sie von den sowjetischen Machthabern erzwungen worden sei, und begann mit der Organisation einer eigenständigen "Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland". Diese Entwicklung führte 1926 auch zu dem erwähnten Bruch in der russischen Emigration in Deutschland und zur Spaltung der Gemeinden.

Nachdem 1933 der Nationalsozialismus in Deutschland zur bestimmenden politischen Kraft geworden war und sein diktatorisches Regime errichtet hatte, begann auch die "Gleichschaltung" der orthodoxen Gemeinden, nämlich durch die Verleihung der Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts an die "Russisch-Orthodoxe Diözese des Orthodoxen Bischofs von Berlin und Deutschland", wie sich das Bistum in der Synode der Auslandsbischöfe nannte, durch das Preußische Staatsministerium am 14.3.1936 und wenig später, am 25. Februar 1938, durch ein vom "Führer und Reichskanzler" Adolf Hitler unterzeichnetes "Gesetz über den Grundbesitz der russisch-orthodoxen Kirche", durch das ermöglicht wurde, den gesamten alten russischen Kirchenbesitz, vor allem die Gottesdiensträume, der Exilsynode zu übergeben, was die bislang Metropolit Evlogij unterstehenden Geistlichen zwang, entweder zu Bischof Tichon überzuwechseln oder ihre Pfarreien aufzugeben bzw. obdachlos zu machen.

Einen weiteren deutlich sichtbaren Ausdruck fand die Unterstützung der Synode der russischen Auslandsbischöfe und ihres Vertreters in Deutschland, Bischof Tichon, durch die nationalsozialistische Deutsche Reichsregierung schon im Jahre 1935, als der Kathedralgemeinde durch Unterstützung des Reichskirchenministeriums und des genannten Versicherungskonzerns ermöglicht wurde, die heute noch existierende Christi-Auferstehungs-Kathedrale in Berlin-Wilmersdorf zu errichten, welche 1938 geweiht wurde.

Im Verlauf des II. Weltkrieges kam es zwar zu einer Reihe allerdings nur kurzfristiger Veränderungen, die die Orthodoxe Kirche in Deutschland betrafen. So wurde beispielsweise im Rahmen des deutschen Überfalls auf Polen und dann auf die Sowjetunion der Jurisdiktionsbereich des Vorstehers der Diözese des orthodoxen Bischofs von Berlin und Deutschland zeitweise weit nach Osten erweitert, denn die deutschen Besatzungsbehörden vertrauten vielfach lieber ihm die Leitung der dortigen Gemeinden und Kirchen an als den einheimischen Bischöfen. Dabei mag auch eine Rolle gespielt haben, daß seit 1931 - zuerst als Vikar- und ab 1938 als Diözesanbischof von Berlin und Deutschland - ein geborener Sachse der russischen Orthodoxie in Deutschland vorstand, nämlich Serafim (Lade) [1883-1950]. Ihm wurde nach der deutschen Okkupation Polens die Kirchenverwaltung im "Generalgouvernement" übertragen, nachdem das Oberhaupt der Polnischen Autokephalen Orthodoxen Kirche, Metropolit Dionisij, zum Verzicht gezwungen worden war. 1942 wurde Serafim zum Metropoliten von Mitteleuropa erhoben und von deutscher Seite mit weiteren Kompetenzen in den besetzten Gebieten Westrußlands ausgestattet, was ihm allerdings nach dem Krieg den Vorwurf eintrug, mit den Nationalsozialisten kollaboriert zu haben. Auch in "Großdeutschland" selbst wurde die Unterstellung aller orthodoxen Gemeinden unter Metropolit Serafim mit staatlicher Gewalt betrieben. Letztmals bei der Synode der Auslandskirche in Wien 1943 versammelten sich bei Metropolit Serafim die ihm unterstehenden Bischцfe Mittelosteuropas wie auch der damalige Ersthierarch der Auslandskirche, Metropolit Anastasij Gribanovskij.

Die hier angesprochenen kirchenpolitischen Veränderungen hatten allerdings nur so lange Bestand, wie die deutsche Herrschaft im Osten und das nationalsozialistische Regime währten: 1945 mußte der Metropolit selbst nach München fliehen, wo er 1950 verstarb.

 

 

3. Teil: Die russische Emigration nach dem 2. Weltkrieg

 

 

Inzwischen hatten die Bevölkerungsumschichtungen am Ende des Krieges es mit sich gebracht, daß erneut eine große Zahl orthodoxer Christen aus den osteuropäischen Ländern nach Deutschland kamen. Es handelte sich zum einen um verschleppte Zwangsarbeiter, ehemalige Kriegsgefangene und Zivilinternierte, Häftlinge von Konzentrationslagern, zum andern aber auch um Hilfswillige und Kollaboranten, die im Krieg auf deutscher Seite gekämpft hatten, sogar um ganze Truppenteile, die geglaubt hatten, in Hitler das geringere Übel gegenüber dem stalinistischen Bolschewismus zu wählen und von daher auf deutscher Seite unter Waffen gestanden hatten wie etwa die aus Kosaken bestehende XV. SS-Kavallerie-Division oder die "Russische Befreiungsarmee" des zu den Deutschen übergetretenen ehemaligen sowjetischen Generals Andrej Vlassov. Zusammen mit all den anderen "Displaced People" aus Osteuropa machten sie eine so große Gruppe orthodoxer Christen aus, daß 1946 auf dem Gebiet der drei westlichen Besatzungszonen insgesamt rund 150 russische orthodoxe Kirchen gezählt wurden, davon die meisten in den Lagern für die Vertriebenen und Flüchtlinge. Allerdings hatten die meisten nur temporären Charakter: Die Zahl der Gemeinden in Westdeutschland verminderte sich in den folgenden Jahren kontinuierlich, da die Mehrzahl der Flüchtlinge so rasch als möglich eine Übersiedlung nach Übersee anstrebte. So betrug die Rahl der russischen Gemeinden 1949 nur noch 77 mit 135 Geistlichen und rund 50.000 Gläubigen. Seit jener Zeit ist die Zahl konstant gesunken, zumal auch die Ukrainer, Serben und Rumänen, die ursprünglich oft von den russischen Seelsorgern mitversorgt worden sind, eigene Gemeinde und später auch Bistümer errichteten.

In Berlin und auf dem Territorium der damaligen Sowjetischen Besatzungszone, der späteren Deutschen Demokratischen Republik, waren die dortigen russischen Gemeinden schon 1945 wieder unter das Omophorion des Patriarchen von Moskau und der ganzen Rus' aufgenommen worden. Für sie wurde die Diözese von Berlin und Mitteleuropa gebildet, die zeitweilig (von 1948 bis 1960 und wieder seit 1992) den Namen "Diözese von Berlin und Deutschland" trug. Da allerdings die weitaus überwiegend aus alten und neuen Emigranten und Flüchtlingen vor der Sowjetmacht bestehenden russischen Gemeinden in den drei westlichen Besatzungszonen, der nachmaligen Bundesrepublik Deutschland, nicht gewillt waren, sich einer Kirchenleitung zu unterstellen, die ihren Sitz im kommunistischen Machtbereich hatte, verweigerten sie sich einer Aussönung mit dem Patriarchen von Moskau und blieben in der Auslandskirche, obwohl diese offiziell von keiner der anderen autokephalen orthodoxen Kirche als kanonisch anerkannt wird.

Erst 1960 wurde in München die erste Gemeinde des Moskauer Patriarchates in der Bundesrepublik Deutschland errichtet und wenig später eine Westdeutsche Diözese mit Residenz in München gegründet, die 1971 in eine Diözese von Baden und Bayern und eine weitere von Düsseldorf für die übrigen Bundesländer geteilt worden ist. Die Mehrzahl der aktiven Gemeindemitglieder der westdeutschen Pfarreien des Moskauer Patriarchates bestand zu dieser Zeit aus Konvertiten aus der römisch-katholischen oder den evangelischen Kirchen. Auch der erste Diözesanbischof von Düsseldorf, Erzbischof Alexy (van der Mensbrugghe) [1899-1980]  war kein Russe, sondern ein gebürtiger Belgier. Lediglich in Westberlin existierte bei der dortigen, jetzt ebenfalls zum Moskauer Patriarchat gehörigen russischen Kathedrale am Hohenzollerndamm eine größere, russischstämmige Gemeinde. Eine weitere zahlenmäßig bedeutendere russische Pfarrei des Patriarchats gab es in Baden-Baden, bis ihr auf gerichtlichem Wege das alte Kirchengebäude entzogen und der Auslandskirche zugesprochen wurde. Insgesamt dürfte die Zahl der Mitglieder des Moskauer Patriarchates in den alten Bundesländern kaum viel mehr als 2.000 betragen haben.

Doch auch die Zahl der Gemeindemitglieder der Auslandskirche, deren Diözesanbischof, der ebenfalls den Titel "von Berlin und Deutschland" trägt und zuerst in München, dann in Hamburg und jetzt wieder in München seinen Sitz hat, sank in den kommenden Jahrzehnten kontinuierlich, vor allem in den 70er und 80er Jahren, als die meisten #lteren Emigranten verstarben. Sie betrug um 1990 wohl nur noch etwa 6.000 Menschen.

 

 

4. Teil: Die heutige Lage

 

 

Mit dem Zusammenbruch des Kommunismus in der Sowjetunion und der Öffnung der Grenzen allerdings änderte sich diese Zahl in kürzester Zeit rapide: Binnen weniger Jahre kamen schätzungsweise über 100.000 getaufte orthodoxe Christen aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland. So waren nach der Statistik des Jahres 1997, als dies erstmals eigens erfaßt wurde, gut 10 % der deutschstämmigen Übersiedler und ihrer Familienangehörigen orthodox: insgesamt mehr als 14.000 Menschen allein in einem Jahr. Allerdings haben viele der neu nach Deeutschland gekommenen orthodoxen aus der ehemaligen UdSSR noch keine engere Bindung an die Kirche entwickelt. Etliche jedoch prägen schon jetzt das Leben der russischen Gemeinden und haben dort zu einer echten Wiederbelebung des pfarrlichen Lebens geführt, denn zum einen handelt es sich überwiegend um jüngere Menschen, darunter nicht wenige Jugendliche und Kinder, zum anderen ist ihre Bindung an das Heimatland viel enger als bei den alten Gemeindemitgliedern aus der Emigration. So sind an etlichen Orten inzwischen neue lebendige Pfarreien mit Sonntagsschulen und Sozialeinrichtungen entstanden.

Der neuen politischen Entwicklung in Deutschland hat das Moskauer Patriarchat Rechnung getragen, indem es die drei Diözesen, die bis dahin im vereinigten Deutschland existierten im Dezember 1992 zu einer einzigen Berliner Diözese der Russisch-Orthodoxen Kirche zusammengefaßt hat, der vom Senator für kulturelle Angelegenheiten in Berlin 1992 auch die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen worden sind. Erster Vorsteher der vereinten deutschen Diözese wurde Bischof Feofan (Galinskij). Die bisherige Diözese von Düsseldorf wurde zur Ständigen Vertretung der Russischen Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats in Deutschland erhoben, der die Wahrnehmung aller Angelegenheiten übertragen worden sind, die sich auf die Kontakte zu kirchlichen, staatlichen, sozialen und anderen vergleichbaren Institutionen in Deutschland beziehen. Als Ständiger Vertreter der Russischen Orthodoxen Kirche in Deutschland, der für die Kontakte zu staatlichen, kirchlichen und gesellschaftlichen Stellen sowie die Koordinierung der humanitären Arbeit zuständig ist, amtiert der vormalige Bischof von Düsseldorf, Erzbischof Longin (Talypin) von Klin.

In einigen Gemeinden des Moskauer Patriarchates werden trotz der markanten Zunahme der russischsprachigen Gläubigen in den letzten Jahren weiterhin nicht nur russische, sondern auch deutsche Gottesdienste gefeiert, denn viele Gemeinde sind multinational zusammengesetzt. Neben Russen, Weißrussen, Ukrainern, Letten, Esten, Moldauern und anderen Nationalitäten aus den Ländern der ehemaligen UdSSR, die zum Moskauer Patriarchat gehören, finden sich auch einzelne Georgier, Rumänen, Bulgaren, und zwar an den Orten, wo sie keine eigenen Kirchen haben. Hinzu kommen auch einige Deutsche. Auch ein guter Teil der Geistlichen besteht aus Deutschen. Die Zeitschrift der Berliner Diözese "Stimme der Orthodoxie" wird vollständig in deutscher Sprache publiziert, der Kurier der Düsseldorfer Vertretung "Pokrov" hingegen überwiegend in russisch.

 

Trotz aller Versuche, die Spaltung zwischen der Russischen Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchates und der russischen Auslandskirche zu heilen, ist dies bis heute nicht gelungen. Zwar finden seit einigen Jahren regelmäßige Kontaktgespräche statt und konnte im Dezember 1997 eine gemeinsame Erklärung der Geistlichen der Russischen Orthodoxen Kirche (Moskauer Patriarchat und Auslandskirche) in Deutschland unterzeichnet werden, aber es ist es offenbar noch ein weiter Weg bis zu einer wirklichen Einigung und Vereinigung. Daher existieren bislang auch in Deutschland zwei russische Bistümer, die hier beide den Titel "von Berlin und Deutschland" tragen.

Beide haben in den letzten Jahren auch neue Gottesdienststätten eröffnet, zumeist in angemieteten Räumen oder Kapellen, die von der Römisch-Katholischen oder Evangelischen Kirche zur Verfügung gestellt worden sind. Aber es gibt auch russische Kirchneubauten, die in den letzten Jahrzehnten entstanden sind. Einen besonderen Platz darunter nimmt wegen ihrer architektonischen Schönheit und ihrer Einzigartigkeit in Westeuropa die Kirche des hl. Nikolaus in Gifhorn ein, die als Nachbau einer russischen Holzkirche des 18. Jahrhunderts errichtet worden ist.

 

Nikolaus Thon

Russische Kirche Hl. Maria Magdalena - Darmstadt, Mathildenhöhe

Russische Kirche Hl. Aleksandr von der Neva - Potsdam, Kapellenberg

Wiesbad

Russische Auferstehungs-Kathedrale - Berlin, Hohenzollerndamm

Mitropolit Evlogij

Russische Kirche Hl. Nikolaus - Gifhorn

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